Der geheimnisvolle Koffer und ein blinder Schritt

 

Der Koffer weist in der spirituellen Traumdeutung auf eine Reise hin. Der Koffer ist Ausdruck des ständigen Wandels. Er erzählt Geschichten und ist dauernder Erneuerung unterworfen. Er führt mich zu den verborgenen Tiefen meines Selbst und fordert mich auf, das eigene Wesen, Neigungen und Interessen, Talente und die Spiritualität näher zu ergründen.

Meine Bilder sind geprägt von meiner persönlichen Geschichte. Nachdem ich mein Heimatland Irak verlassen hatte, stellte ich fest, dass mein Raum mein eigener Koffer ist. Als Nomade finde ich überall meinen Raum, meine Heimat. Wenn ich den Koffer berühre, bin ich auf magische Weise verbunden mit dem Geschehen in vergangener Zeit und mit den Menschen, die Spuren hinterlassen haben.

Mit dem Namen Bagdad assoziierte man noch vor nicht langer Zeit die morgenländische Atmosphäre voller Düfte und Aromen. Meine Kunst erlaubt mir, zur Kultur meiner Kindheit zurückzukehren, zur mystischen Welt von Tausend- und einer Nacht, zu Weihrauch, zu orientalischen Kleidern, Wohnräumen und Architektur.

In Mesopotamien, dem Zweistromland zwischen Euphrat und Tigris, lebten schon im vierten Jahrtausend v.Chr. die Sumerer. Dieses Volk entwickelte sich unter harten klimatischen Bedingungen in einer fruchtbaren Ebene. Mesopotamien war die Wiege verschiedener Kulturen, in denen sich Mathematik, Astronomie, Medizin und Linguistik entwickelten. Die Sumerer und ihre semitischen Nachfolger waren eher logisch-wissenschaftlicher Denkart, was besonders vor dem Hintergrund ihrer Schriftkultur deutlich spürbar wird. Um 2700 v.Chr. wurde die Schreibtechnik bei den Sumerern revolutioniert.

Zwei Golfkriege und deren Folgen für die Weltordnung haben unsere Wahrnehmung in den letzten Jahrzehnten tiefgreifend beeinflusst. Die Kunst tut sich mit der Flucht in alles Leichte, Schöne, Oberflächliche zunehmend schwerer. Ein Krieg führt immer zum Tod zahlreicher Menschen und zu großem Leid. Nach dem Ende des Irakkrieges von 2003 wurden zahlreiche Kulturgüter in Bagdad und im ganzen Land mit seiner reichen Geschichte zerstört. Die Nationalbibliothek wurde durch einen Brand verwüstet und das schlecht gesicherte Nationalmuseum geplündert, wobei unter anderem Belege über die Herkunft der geraubten Objekte verloren gingen. Ein Teil der Beutestücke der Plünderungen - Zeugnisse der ältesten Hochkulturen der Menschheit (Sumerer, Babylonier und Assyrer) - tauchten inzwischen bei Kunstauktionen und bei privaten Sammlern wieder auf.

 

Iman Mahmud, 2018